Jürgen

Löhle

Freier Journalist


Normale Härte

Je älter man wird, desto weniger wundert man sich über den Wahnsinn, der um einen herum tobt. Trotzdem bleiben genug Geschichten und Begebenheiten die man noch ein bisschen einordnen oder zuspitzen kann – am besten in einem Blog.

Soziale Marktwirtschaft?

Oktober 27, 2014Jürgen Löhle2 Kommentare

Kann es sein, dass wir langsam zu einem Volk von Schulterzuckern werden? Dass einen nix mehr aufregt, dass eh alles wurscht, weil nicht änderbar ist? Ein kleines Beispiel: Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland nennt sich „soziale Marktwirtschaft“. Ein Begriff, den übrigens die  CDU in den 50ern entscheidend mitgeprägt hat. Zudem steht in der Verfassung, dass Eigentum auch verpflichtet.

Real ist von diesen Ideen kaum noch was übrig. Und manchmal auch gar nichts mehr. Da kauft also ein österreichischer Immobilienhändler, Spekulant und Investor vor ein paar Monaten Karstadt. Schon damals konnte man lesen, das könnte böse für die Beschäftigten bei Karstadt enden. Danach machte Herr Benko laut Verdi unwidersprochen folgendes: Als Inhaber der Immobilie in der Stuttgarter Königstraße erhöhte er die Miete für seine eigene Karstadt-Filiale so lange, bis das eigentlich profitable Kaufhaus nicht mehr besonders rentabel war. Und jetzt schließt er kommenden Sommer ab und schmeißt die Leute raus.

Ist das soziale Marktwirtschaft? Wir hier verantwortungsvoll mit Eigentum umgegangen?

Ganz sicher nicht, aber offenbar ist das so alltäglich, dass sich kaum noch einer aufregt. Ja schade sei es schon, hört man, aber zwischen Milaneo und Geber hätte es ja eh kaum noch Platz für ein Kaufhaus. Mag ja sein, dass es für die Filiale schwer geworden wäre – aber rechtfertigt das derartige Tricks? Wie gesagt, die Zahlen waren nicht schlecht, bis die Mietspirale so richtig lief. Mit den Grundwerten einer sozialen Marktwirtschaft hat die Abwicklung a la Benko jedenfalls gar nichts mehr zu tun.

Bedenklich ist aber vor allem, dass dies kaum noch auf Widerstand trifft. Ich habe jedenfalls aus dem Rathaus bisher nichts zu den Plänen gehört. Wenn ich etwas übersehen haben sollte, bitte ich um Aufklärung. Danke.

Ach ja – für den Standort in der Königstraße soll sich angeblich das irische Billigkaufhaus Primark interessieren. Dort kann man T-Shirts zum Preis eines Espresso kaufen, werden Klamotten qua Programm zu Wegwerfartikeln. Gegen Primark gibt es massive Vorwürfe wegen Überwachung ihrer Mitarbeiter vor allen aber als Profiteur übelster Kinderarbeit in Asien. Alles auf jeden Fall weit weg von sozialer Markwirtschaft. Primark weist alle Vorwürfe natürlich zurück – aber zumindest hier gibt es eine Reaktion. Stuttgarts OB Fritz Kuhn rät seinen Kindern, nicht bei Primark einzukaufen. Ob das mehr als ein Schulterzucken ausgelöst hat, ist freilich nicht bekannt.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Jürgen
    7. November 2014

    Kleiner Test

  2. Uli
    27. Oktober 2014

    Was heißt hier langsam? Seit Anfang des Jahrtausends haben wir keine soziale Marktwirtschaft mehr. Wer dagegen aufmuckt, wird als „Gutmensch“ veralbert/ins Abseits gestellt. In einer Gesellschaft, in der selbst die Fantastischen Vier Gutmenschen unwidersprochen beleidigen dürfen, gilt nur noch das Prinzip der Gewinnmaximierung. Alle Ehrenamtlichen dürfen sich verabschieden, die sind ja so egoistisch.

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