Jürgen

Löhle

Freier Journalist


Normale Härte

Je älter man wird, desto weniger wundert man sich über den Wahnsinn, der um einen herum tobt. Trotzdem bleiben genug Geschichten und Begebenheiten die man noch ein bisschen einordnen oder zuspitzen kann – am besten in einem Blog.

Die Tour de France trifft Deutschland

März 3, 2017Jürgen Löhle0 Kommentare

Am 1. Juli geht es los – Start der 104 Tour de France in Düsseldorf. Seit der ersten Auflage 103 habe auch immer wieder Profis aus Deutschland Geschichten beim größte Radrennen der Welt geschrieben – positive wie negative. Ich habe darüber ein Buch geschrieben, dass am 20. März erscheintz. Mehr dazu unter http://www.delius-klasing.de/buecher/Die+Tour+de+France

Hier schon mal eine kleine Leseprobe vom ersten deutschen Kontakt bei der ersten Tour de France 1903:

„Ein Bild ging um die Welt. Maurice Garin steht stolz und mit Siegerschärpe dekoriert hinter seinem Rennrad. In seinem Mundwinkel unter dem Schnauzer hängt lässig eine Zigarette, eine kecke Schiebermütze thront auf seinem Kopf. So sah er also aus, der Mann, der 1903 die erste Tour de France gewann. Die Filterlose im Mund des gelernten Schornsteinfegers ist ein Zeichen dafür, dass diese Rennen damals wirklich noch etwas komplett anderes war als heute. Irgendwie unvorstellbar und surreal. Man mag es kaum glauben, aber Ärzte haben den Rennfahrern damals geraten, vor dem Start zu rauchen. Das mache die Lunge so richtig frei, hieß es damals. Kein Witz. Und so skurril wie die Ansage der Weißkittel war das Rennen damals. Die erste Tour führte nur über sechs Etappen, war aber 2428 Kilometer lang. Die einzelnen Abschnitte maßen von 268 bis hin zu unglaublichen 471 Kilometern! Die Profis saßen dabei auf gut 25 Kilo schweren Stahlrädern, die weder eine Gangschaltung noch einen Freilauf kannten. Und das Ganze meist auf Naturstraßen. Wenn man Härte gegen sich selbst ins Quadrat setzen will – das wäre es wohl. Zumal Sieger Garin die Tortur mit einem Stundenmittel von 25,6 Kilometern hinter sich brachte. Trotz Zigaretten, Starrachse, schlechter Straßen und sonstiger Hindernisse.

Am Start der ersten Tour standen auch zwei Deutsche. Ludwig Barthelmann, der aber schon auf der ersten Etappe von Paris-Montgeron nach Lyon (467 Kilometer) aufgab. Ganz anders Josef Fischer. 1896 gewann der gebürtige Saarländer mit Wohnort München die erste Auflage des heutigen Klassikers Paris – Roubaix. Auf den zweiten deutschen Erfolg in der Kopfsteinpflaster-Hölle musste das Land danach 119 Jahre warten, ehe John Degenkolb 2015 auf der Radrennbahn in Roubaix als Erster über die Ziellinie raste. Fischer war ein bunter Hund, gewann Rennen wie Berlin – Wien über knapp 600 Kilometer, die, auch kein Witz, am Stück gefahren wurden. Der Mann trat auch bei Schaukämpfen an und sprintete einst schneller mit dem Rad, als William Cody Junior, der Sohn von Buffalo Bill, reiten konnte. 1903 war er aber bereits 38 Jahre alt und am Ende seiner Karriere, dennoch kam er durch und wurde schließlich als Fahrer des deutschen Kaiserreichs 15. des Gesamtklassements. Mit knapp 22 Stunden Rückstand auf Garin.“