Jürgen

Löhle

Freier Journalist


Normale Härte

Je älter man wird, desto weniger wundert man sich über den Wahnsinn, der um einen herum tobt. Trotzdem bleiben genug Geschichten und Begebenheiten die man noch ein bisschen einordnen oder zuspitzen kann – am besten in einem Blog.

Fasten und Sport – keine gute Idee

August 5, 2014Jürgen Löhle1 Kommentar

In der Ferienzeit stellen die Menschen ja gerne unschöne Wucherungen an ihrer Körpermitte fest. Man das nennt das zwar Happy-Fat und sagt das sei normal wenn die Lebensmitte überschritten ist, aber trotzdem reift in vielen der Entschluss zur Mäßigung und ganzheitlichen Revitalisierung. Dummerweise wählen manche den Sport als Beschleuniger auf dem Weg zur Freibadfigur. Das funktioniert allerdings nicht, wie das Beispiel unserer selbstverständlich existenten Testperson zeigt, die sich eine Woche kasteit hat.

Tag 1: Martin P. ermittelt sein Ausgangsgewicht und schlürft einen Teller Kräutersuppe, die er aus sündhaft teuren Zutaten aus dem Bioladen vor drei Tagen angesetzt hat und die seither grimmig stinkend vor sich hinköchelt. Die Suppe schmeckt ein wenig nach Kernseife mit altem Fisch und verursacht Blähungen, die aber laut Rezept der „erste Schritt zur inneren Ruhe“ sein sollen. Der Haushund Bruno wird allerdings nervös und wendet sich winselnd ab, als P. ihn aus Versehen anhaucht. Zum sportlichen Auftakt gibt es einen pulsorientierten Dauerlauf. 45 Minuten mit maximal 120 Herzfrequenz. Danach hat P. mächtig Hunger, isst aber nur noch einen Teller Suppe und geht stolz und traurig ins Bett. Der Hunger wird verschwinden, hat er gelesen.

Tag 2: P.s nagelneue Digitalwaage mit Mondphasenrechner zeigt 365 Gramm weniger. Unsere Testperson ist glücklich, steigt von Suppe auf viel Wasser und einen Apfel pro Tag um und joggt 45 Minuten – mit bis zu 150 Puls. Abends hat er Hunger.

Tag 3: „Sie sehen beschissen aus, sind Sie krank?“, fragt ein Nachbar. P. betrachtet sich ängstlich im Spiegel. Die Wampe quillt trotz 965,4 Gramm Gewichtsverlust weiter ungeniert über den Bund der Jogginghose „Elvis“, seine Wangen wirken allerdings ein wenig eingefallen, der Hals seltsam faltig, sein Magen knurrt. P. fährt vier Stunden Rennrad und gönnt sich danach einen halben Buchweizengrützling. Als der Hund gefüttert wird (grüner Pansen, Lammgekröse) kommen ihm die Tränen. P. nähert sich vorsichtig dem Napf. Bruno,  sonst sehr sanftmütig, knurrt.

Tag 4: In der Nacht träumt P. von einer stämmigen Ukrainerin mit Frankfurter Würstchen als Ohrringen, die ihn in seinem Sportstudio mit einem Klistier voller Diätsuppe verfolgt. Sie fängt ihn und verspeist vor seinen Augen ihren Ohrschmuck. P. hat jetzt fast 1,9 Kilo verloren, aber nur im Gesicht und an den Fußsohlen. Heute geht es ins Freibad. 40 Bahnen à 50 Meter. Hinterher verschlingt er aus einem achtlos zerknüllten Pappteller ein verbranntes Pommes.

Tag 5: Fatburning durch Nordic Walking. Geplagt von Mordfantasien gegen arglose Eichhörnchen (rein in den Mixer, Deckel drauf, fritzzzzzl) stöckelt P. durch den Forst. Er fühlt sich schwach, sein Magengrimmen vertreibt ein paar Bachen.

Tag 6: Der Gürtel der Jeans geht ein Loch weiter zu – P. jubelt, dabei reißt hinten die Naht. Im Spiegel sieht P. einen hohlwangigen Irren. Die Nachbarn tuscheln, P. versteht die Wörter „Burnout“ und „Aids“.

Finale: 3,275 Kilo verloren, dazu seinen frischen Teint, aber kaum etwas am Bauch. Im Sportstudio rät ihm Trainer Kevin, noch eine Woche Powerworkoutstyle dranzuhängen, dann würde es schon. P. randaliert, verschlingt kreischend vier Powerriegel und muss sich in die Bizepsmaschine übergeben. Hoffentlich ist bald Herbst.

 

 

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Uli
    6. August 2014

    Naja… Wer glaubt, seine Wampe gehe in einer Woche weg, ist wohl so naiv wie einer, der aus dem Stand einen Marathon laufen will. Aber heute muss ja alles jetzt und sofort und trotzdem nachhaltig sein. Trotzdem natürlich löhlemäßig witzig…

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