Jürgen

Löhle

Freier Journalist


Normale Härte

Je älter man wird, desto weniger wundert man sich über den Wahnsinn, der um einen herum tobt. Trotzdem bleiben genug Geschichten und Begebenheiten die man noch ein bisschen einordnen oder zuspitzen kann – am besten in einem Blog.

Gemeinsam radeln im Urlaub – obacht!

Juli 30, 2014Jürgen Löhle0 Kommentare

Zur Urlaubzeit also aus gegebenen Anlass eine Brägel-Kolumne aus „Tour“ aus dem Jahr 2013   

Es ist wieder Urlaubszeit, das heißt, jetzt fahren auch wieder Menschen zusammen Rad, die dies sonst übers Jahr tunlichst vermeiden, schon um des lieben häuslichen Friedens willen. Denn eines ist klar- beim Paarradeln sind derart viele Fallen eingebaut, dass so mancher Urlaubsabend danach mit eisigem Abstand und einsamen Lesen eines 1400-Seiten-Romans endet und nicht harmonisch mit Vino, launiger Konversation, Händchenhalten und gemeinsamen Meerblick.

Brägel hat in vielen, vielen Jahren so ziemlich alles falsch gemacht, was man in puncto Urlaubsradeln falsch machen kann. Da er aber zum Glück ein für seine Verhältnisse erstaunlich präzises Gedächtnis hat, kann er dem Club eine Einführung in die vermeidbarsten Fehler geben.  „Das fängt schon bei der Wahl des Ortes an“, erklärt er am Stammtisch. Was er meint? Frauen haben ein so genanntes Achwieschön-Gen, das bedeutet, sie bevorzugen Regionen, die Ausblicke ermöglichen. Hügelige Landschaften oder gar Steilküsten mögen zwar optisch reizvoll sein, aktivieren durch ihre Topographie aber wiederum das männliche Kampfradel-Gen. Und das heißt, Männer wie Brägel versuchen auch im Urlaub an Anstiegen jeden anderen im Sattel final zu zersägen. Dabei wird natürlich auch gegen die eigene Gattin getreten, als sei sie der Lieblingsgegner bei der normalen Samstagsausfahrt im Club. „Da kann man nix machen“, jault Brägel, „wenn es hoch geht, schaltet der Kopf ab.“ Wenn er denn je an war, möchte man meinen, aber gut. Oben wartet dann der Herr des Hauses mit dem Fotoapparat  im Anschlag und einem gönnerhaften „Hep, Hep, Mausi“, was bei „Mausi“  Mordfantasien auslöst, zumal sie mit rotem Kopf und Helm nicht fotografiert werden will. Brägel weiß das seit Jahren, kümmert sich aber nie darum. Das ganze schafft auch bei 32 Grad eine eisige Atmosphäre, die Brägel aber noch toppt, wenn er bei der Pause hartleibig „Zwei Expresso“ ordert, obwohl ihm Viola schon eine Million Mal erklärt hat, dass es „Due Espressi“ heißt, also ohne x, mit i und mit due. Brägel sagt dann gerne: „Wer zahlt, schafft an, gell!“ Die Folge: Statt sich auf ein Romantikdiner am Abend zu freuen, besorgt sich Viola  einen zweiten Historienschinken.

Platte Urlaubsregionen sind auch nicht unbedingt beziehungsfreundlicher, da Brägel zwar in der Ebene durchaus auch mal einfach mit seiner Partnerin dahinrollen kann, sich in seiner heroischen Selbstaufgabe aber nicht entscheiden kann, wer denn nun am besten vorne fährt? Dafür kann er aber ausnahmsweise nix, denn beides ist potentiell konfliktfähig. Schickt er Viola mit den Worten „Fahr du einfach so schnell du möchtest, ich rolle hinterher“, an die Spitze, stellt er sie auch in den Wind, der in südlichen Ebenen im Sommer oftmals recht brachial pfeift. Spannt sich Brägel selbst an die Spitze entsteht schnell eine ungute Melange. Sie stört sein ständiges „Passt das Tempo denn?“-Gesabbel,  er verrenkt sich fast den Halswirbel, weil er sich dauernd umdrehen muss, weil sie einfach nicht mehr antworten will. Nebeneinander fahren ist auch keine Lösung, weil dies in etlichen großen Urlaubsregionen eher heikel ist.  Italien, Frankreich und Spanien  mögen große Radnationen sein, aber bis zu den Autofahreren hat sich das noch nicht so richtig rumgesprochen.   Wer innen fährt läuft also Gefahr, den Urlaub im Krankenhaus zu beenden. Wenn er Glück hat.

Als harmoniestörend  im Urlaub hat sich bei Brägels auch herausgestellt, dass der Lapp eigentlich schon vor der Abfahrt die Radeltage, die Touren und die angestrebten Kilometer festgezurrt hat. Änderungen am Plan sind nur durch Erdbeben, Hagelschlag oder schwere Knochenbrüche möglich.  Viola versteht dagegen unter Urlaub etwas, bei dem man sich treiben lässt und ganz spontan entscheidet. Da Brägel allerdings die Spontaneität einer Baggerschaufel hat, kann er damit nichts anfangen. Im Gegenteil: Wird am dritten Tag nicht die 82er Runde gefahren, kauft er sich ein dreibändiges Kompendium über seltene Gräser in der Provence und liest sich beleidigt darin fest.

„Aber Männer“, sagt er am Ende am Stammtisch, „es gibt die Lösung. Wir fahren zwar zusammen in den Urlaub, aber da schon seit Jahren nicht mehr zusammen Rad, sonst wären wir schon lange getrennt.“ Ganz schön vernünftig von Brägel. Ausnahmsweise.